Heinrich Siesmayer

(1817-1900)

Der Gartenkünstler Heinrich Siesmayer aus Frankfurt hatte sich mit der Anlage des Bad Nauheimer Kurparks in den 1850er Jahren, vor allem aber mit der Schaffung des Palmengartens in Frankfurt ab 1868 einen Namen gemacht.
Wie der Kontakt zwischen Bauherr und Gartenarchitekt zustande kam und welche konkreten Absichten Carl Kneiff mit der Heranziehung so bedeutender Künstler verfolgte, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Fest steht lediglich, daß Kneiff bei der Errichtung seines Anwesens nicht auf lokale oder regionale Künstler zurückgriff.

Biographie

Im Gegensatz zu anderen bekannten Gartenkünstlern seiner Generation stammte Heinrich Siesmayer aus einer armen Gärtnerfamilie. Er hatte in den 1870er Jahren einen bemerkenswerten Aufstieg hinter sich gebracht.

Heinrich Siesmayer wurde 1817 in Mainz geboren und wuchs in Offenbach und Groß-Karben bei Frankfurt am Main auf. Sein Vater Philipp (1781-1866), zu dessen Vorfahren schon in mehreren Generationen Gärtner zählten, war angestellter "Kunstgärtner" aus Niederselters an der Lahn und hatte Anfang des 19. Jahrhunderts verschiedene Stellungen beim niederen Adel im Bereich des heutigen Rhein-Main-Gebietes. Wegen des häufigen Stellenwechsels und der zahlreichen Kinderschar konnten die Kinder nur die Volksschule besuchen. Drei der Söhne sollten im 19. Jahrhundert bekannte Gartenbauer und Gartenkünstler werden. Heinrich Siesmayer machte wie seine Brüder Nikolaus (1815-1898) und Karl Friedrich (1821-1902) eine Gärtnerlehre bei der damals bekannten Gartenbaufirma Sebastian & Jacob Rinz in Frankfurt.

Nach der Lehrzeit, von der ihm die Hälfte erlassen wurde, blieb Siesmayer noch bis 1840 bei Rinz. Das ist recht ungewöhnlich, denn zu dem damals üblichen Ausbildungsweg gehörte eine Zeit gärtnerischer Wanderjahre, in der die Gesellen ihre Kenntnisse bei in- und ausländischen Betrieben vervollständigten. Während seiner sechs Gesellenjahre bei Rinz wurden Heinrich Siesmayer wichtige Aufgaben übertragen. Er übernahm die Leitung bei der Ausführung mehrerer Parkanlagen, z. B. bei der Umgestaltung des Wiesbadener Kurparks 1837. Außerdem leitete er die Rinzschen Baumschulen, die mit ihren Raritäten die anspruchsvollen Frankfurter Gartenliebhaber belieferten.

1840 beschloss er, sich selbständig zu machen. Dies war angesichts seiner eigenen finanziellen und der allgemeinen politisch-wirtschaftlichen Situation ein kühner Entschluß. Aus einer einfachen Familie stammend, besaß Siesmayer keine größeren Geldmittel. In Frankfurt konnte er sich nicht ansiedeln, da dort keine Gewerbefreiheit herrschte. So ließ er sich in dem kleinen kurhessischen Städtchen Bockenheim vor den Toren Frankfurts nieder, wo seine Eltern inzwischen ansässig waren. Auch hier hatte er wegen seiner Mittellosigkeit zunächst Probleme mit den Behörden. Schließlich konnte Siesmayer aber einen kleinen Garten mit Gewächshaus mieten, in dem er Pflanzen anzog. Schon bald wurden ihm kleinere Gartenunterhaltungen übertragen; daneben fertigte er Jardinièren – also im damaligen Geschmack geschmückte Blumenständer, Blumenbilder und sogenannte plastische Landschaftsbilder aus Naturmaterialien.

Zwei Jahre später, 1842, gründete er trotz dieses wenig ermunternden Anfangs mit seinem aus England zurückgekehrten Bruder Nikolaus und dem Vater die Firma 'Gebrüder Siesmayer'. Sie mieteten in Bockenheim ein etwa ein Hektar großes Gelände mit einem Wohnhaus und verschiedenen Nutzbauten, denen sie zunächst ein Anlehngewächshaus hinzufügten.

1846 legte Heinrich Siesmayer mit dem Goldstein-Park in Frankfurt für Luise Reichsgräfin Bose seine erste größere eigenständige Anlage an. Der Gewinn ermöglichte ihm, das bisher gepachtete Betriebsgelände zu erwerben. Die meisten anderen Arbeiten der 'Gebrüder Siesmayer' in den 1840er Jahren waren Ausführungen zahlreicher Anlagen nach Entwürfen anderer Gartenarchitekten, darunter auch von Rinz.

Mit dem Entwurf und der Ausführung des Bad Nauheimer Kurparks Mitte der 1850er Jahre erwarb sich Siesmayer einen über die Region hinausreichenden Ruf. Diese etwa 50 Hektar große Anlage in dem mittelhessischen Kurort ist nach Ansicht von Zeitgenossen das Meisterstück Siesmayers. Er schuf hier eine großzügige landschaftliche Anlage mit weiten Sichten, die von effektvoll plazierten Baumgruppen gerahmt sind. Der Bad Nauheimer Kurpark verschaffte Siesmayer Aufträge durch die von weither angereisten Kurgäste.

Siesmayer als Vertreter des "Gemischten Stils"

Siesmayer darf als typischer Vertreter dieses 'Gemischten Stils' gelten. Das heißt, er beherrschte einerseits die rein landschaftliche Gestaltung, wie sie in Hohenrode auch heute noch hervorragend ablesbar ist, verband dies aber auch mit kleinteilig-ausstattungsreichen oder regelmäßigen Gartenteilen. Wenn man den Zeitgenossen Siesmayers glauben darf, so hatte sein Schaffen durchaus typische, wiedererkennbare Züge. Breitschwerdt, der einen Teil seiner Lehrzeit in der Firma 'Gebr. Siesmayer' verbrachte, stellt fest, man könne von "einem speciellen Landschaftsstil dieses Mannes sprechen." In diesem Zusammenhang erwähnt er Siesmayers "prächtige Wegeführungen, seine Teichanlagen und Gehölzgruppierungen" sowie "seine herrlichen Perspectiven" . H. R. Jung, Gartenarchitekt und Gartenschriftsteller, findet "eine mit Geschick und Sorgfalt zusammengestellte, auf malerische Wirkung berechnete Darstellung der einzelnen Pflanzungspartien und wirkungsvolle, der Natur abgelauschte Anordnung freistehender Baumgruppen" kennzeichnend für Siesmayers Tätigkeit. Hermann Jäger, einer der bekanntesten, aber auch kritischsten Gartenschriftsteller des 19. Jahrhunderts, erwähnt außerdem Siesmayers "besonderes Talent zu schönen Bodengestaltung", das dieser durch zahlreiche Modelle zur Bodenplastik und durch Unterricht bei einem Bildhauer erlangt habe .

Siesmayers Entwürfe, von denen bisher nur wenige aufgefunden werden konnten, sind außerordentlich anschaulich. Von kräftiger Farbigkeit, mit in Ansicht dargestellten Bäumen und den elegant geschwungenen Wegen waren sie sicherlich ein hervorragendes "Verkaufsargument". Die Wege der größeren Anlagen, die auf den Plänen wie mit dem Kurvenlineal gezogen erscheinen, wirken trotzdem im Gelände nicht gekünstelt, sondern führen – wo dies noch nachvollziehbar ist – zusammen mit den ausgefeilten Bodenmodellierungen und Blickachsen wie selbstverständlich durch eine Folge ineinanderfließender Parkräume und Parkbilder. Gerade der Park Hohenrode ist hierfür ein gutes Beispiel.

Heinrich Siesmayers Bekanntheitsgrad entfaltete sich ausschließlich aufgrund der ausgeführten Anlagen, da er weder Bücher noch eine nennenswerte Zahl von Zeitschriftenbeiträgen über seine Anlagen oder etwa seine theoretischen Grundlagen verfasste. Seinen Lebenserinnerungen, heute eine wesentliche Quelle zu seinem Schaffen, war ursprünglich ein eher privater Charakter zugedacht gewesen.

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